Fragen und Antworten zum Steuermodell von Paul Kirchhof

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Steuermodell von Paul Kirchhof 

Nachdem der erste Versuch 2005 gescheitert war, wagt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof nun einen zweiten Versuch, das deutsche Steuerrecht grundlegend zu reformieren und zu modernisieren. 

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Welche Grundideen die Basis bilden und wie groß die Chancen auf eine Umsetzung sind, erklärt die folgende Übersicht mit den wichtigsten Fragen und Antworten zum Steuermodell von Paul Kirchhof: 

Wer ist Paul Kirchhof?

Paul Kirchhof ist ein Verfassungs- und Steuerrechtler, der von 1987 bis 1999 dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgericht angehörte. Während seiner zwölfjährigen Tätigkeit als Bundesverfassungsrichter war er an einigen wesentlichen steuerrechtlichen Urteilen beteiligt. Als Mitglied im Wahlkampfteam von Angela Merkel im Jahre 2005 wurde er kurzzeitig dann zu einem regelrechten Shootingstar.

Sein damaliges Steuermodell, das eine grundlegende Modernisierung des Steuerrechts vorsah, wurde zunächst mit großer Begeisterung aufgenommen. Aber die belehrende Art Kirchhofs, die ihn mitunter zu kühlen und weltfremden Kommentaren veranlasste, sollte ihm schon bald nicht nur Medienkritik, sondern auch den Spott von Gerhard Schröder und Franz Müntefering einbringen. Als die Häme zunehmend persönlich wurde, wandte sich schließlich auch Angela Merkel von dem parteilosen Wissenschaftler ab.

In den Folgejahren wurde es zwar ruhig um Kirchhof, an seinem Ziel, das deutsche Steuerrecht zu modernisieren und zu vereinfachen, arbeitete er aber unermüdlich weiter. Nach jahrelanger Arbeit als Professor für Steuerrecht an der Universität Heidelberg und unterstützt von Doktoranden stellte er schließlich Ende Juni 2011 sein „Bundessteuergesetzbuch“ als neues Steuermodell und gleichzeitig als sein Lebenswerk vor.   

Was sind die grundlegenden Ideen des Steuermodells?

Die Grundidee von Kirchhofs neuem Steuermodell lässt sich in wenigen Worten auf den Punkt bringen, denn es geht in erster Linie darum, das Steuersystem einfacher zu machen. Während der Arbeit an dem Steuermodell setzten sich Kirchhof und sein Expertenteam mit jedem einzelnen der insgesamt 33.000 Paragraphen des deutschen Steuerrechts auseinander.

Alle seltsam anmutenden Paragraphen wurden gestrichen, andere Paragraphen zusammengefasst und vereinfacht. Im Ergebnis umfasst Kirchhofs Bundessteuergesetzbuch nur noch 146 Paragraphen, die ausreichen sollen, um die steuerrechtlichen Fragen in allen Lebenslagen zu beantworten. Ein Kernthema, das wesentlich zur Vereinfachung beiträgt, war auch schon 2005 Basis der Idee.

Kirchhof möchte nämlich, dass alle Einkommensarten nach einem einheitlichen Tarif versteuert werden. Derzeit unterscheidet das deutsche Steuerrecht sieben Einkunftsarten voneinander. Wer beispielsweise Arbeitnehmer ist, neben seinem regulären Einkommen aber auch Einkünfte aus einem Nebenjob auf selbstständiger Basis erzielt und zudem auch noch Kapitalerträge aus Fonds oder Aktien erzielt und eine Eigentumswohnung vermietet, kann mit seiner Einkommenssteuererklärung und all ihren Anlagen ganze Ordner füllen. Dies soll es nach Kirchhofs Idee künftig nicht mehr geben, denn alle Einkommensarten sollen einheitlich und dabei einfach und transparent besteuert werden.

Ein weitere wesentliche Idee ist, dass die Grenze des steuerfreien Einkommens auf 10.000 Euro angehoben werden soll. Jeder Erwachsene soll also 10.000 Euro steuerfrei verdienen können, pro Kind soll ein weiterer Steuerfreibetrag von 8.000 Euro dazukommen. Ab 10.000 Euro soll sich der Steuersatz dann progressiv erhöhen, allerdings nur bis zu maximal 25 Prozent. Anders ausgedrückt heißt das, dass die ersten 10.000 Euro des Jahreseinkommens steuerfrei wären, die nächsten 10.000 Euro würden geringer besteuert und von dem Einkommen, das über 20.000 Euro hinaus geht, blieben dem Steuerpflichtigen drei Viertel, während der Staat ein Viertel kassiert.  

Wie soll das Steuermodell finanziert werden?

Die Anhebung der Steuerfreigrenze und die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 25 Prozent muss natürlich auch finanziert werden. Dies soll nach Kirchhof in erster Linie dadurch geschehen, dass sämtliche Privilegien und Ausnahmen gestrichen werden. Anstelle von beispielsweise Zuschlägen für Nacht- und Feiertagsarbeit, der Pendlerpauschale oder der Möglichkeit, Werbungskosten abzusetzen, soll es nur noch eine sogenannte Vereinfachungspauschale in Höhe von 2.000 Euro geben.

Dies soll aber nicht nur das Steuerrecht einfacher machen, sondern auch die vielen Hintertürchen schließen. Kirchhof erhebt nämlich den Vorwurf, dass gerade Steuerpflichtige mit hohem Einkommen und Unternehmen durch die vielen Ausnahmeregelungen immer wieder Möglichkeiten finden, um ihre Steuerlast deutlich zu senken.  Ein weiterer Ansatzpunkt des Steuermodells ist das Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht. Hier ist vorgesehen, dass Erbschaften unter Eheleuten steuerfrei bleiben sollen, Kindern wird ein Freibetrag von 400.000 Euro eingeräumt. Ansonsten soll die Erbschafts- und Schenkungssteuer künftig pauschal zehn Prozent betragen.

Auch im Hinblick auf die Mehrwertsteuer macht ein Kirchhof einen Vorschlag. So soll die Mehrwertsteuer künftig einheitlich bei 19 Prozent liegen. Zudem soll die Berechnung der Umsatzsteuer zwischen Unternehmen entfallen und durch eine Verbrauchssteuer ersetzt werden. Diese Verbrauchssteuer soll dann auch auf Energie, Benzin, Alkohol und Tabak angewandt werden.

Da aber vor allem für Geringverdiener, die üblicherweise einen großen Anteil des Einkommens für Lebensmittel ausgeben, ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz Nachteile bringen würde, soll durch eine Anhebung des Hartz-IV-Satzes um monatlich 27 Euro ein Ausgleich geschaffen werden. 

Was ist der Hauptkritikpunkt an dem Steuermodell?

Die großen Pluspunkte des neuen Steuermodells von Kirchhof sind die Schlüssigkeit, die Einfachheit und die Transparenz, die das Steuersystem auch für Laien nachvollziehbar machen. Diesen Pluspunkten steht nach Meinung der Kritiker jedoch ein wesentlicher Nachteil gegenüber, nämlich die soziale Ungerechtigkeit.

So wäre es allein schon unter sozialen und gesellschaftlichen Aspekten nicht möglich, alle Steuerpflichtigen aus steuerlicher Sicht gleich zu behandeln. Dies würde nämlich bedeuten, dass beispielsweise für einen Bauarbeiter mit einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro brutto der gleiche Einheitssteuersatz von 25 Prozent gelten würde wie für den Geschäftsführer eines großen Bauunternehmens mit einem mehrfach höheren Einkommen. 

Wie stehen die Chancen auf eine Umsetzung des Steuermodells?

Realistisch betrachtet dürfte das Steuermodell, auch wenn es sich zweifelsohne auf gute und sinnvolle Ansätze stützt, in naher Zukunft kaum umsetzbar sein. Angesichts der Eurokrise und steigender Staatsschulden hat die Regierung derzeit sicherlich andere Prioritäten als eine massive Steuerreform.

Hinzu kommt, dass ein derart radikaler Wechsel in einem Industrieland wie Deutschland nicht von heute auf morgen umzusetzen wäre und selbst wenn, dann würde dies deutliche Einnahmeeinbußen für den Bundesfinanzminister und die Länder mit sich bringen. Solange die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen aber leer sind, dürfte auch die Begeisterungsfähigkeit der Politik für das neue Steuermodell von Kirchhof eher gering ausfallen.

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