Das Wirrwarr um die Mehrwertsteuer
Die Mehrwertsteuer in Deutschland beträgt 19 Prozent. Neben dem normalen Steuersatz gibt es noch den ermäßigten Steuersatz, der bei 7 Prozent liegt. Grundsätzlich liegt dem ermäßigten Steuersatz auch eine gute Idee zugrunde. Die Dinge des täglichen Bedarfs sollten nämlich für jedermann erschwinglich sein.

Um dies zu gewährleisten, wurde einst der ermäßigte Mehrwertsteuersatz eingeführt.
Im Laufe der Zeit gab es aber so viele Neuregelungen und Korrekturen, dass mittlerweile kaum noch jemand nachvollziehen kann, wann der ermäßigte Steuersatz Anwendung findet und warum bei anderen Dingen oder Leistungen der reguläre Mehrwertsteuersatz fällig wird.
Inhalt
- 1 Die Mehrwertsteuer als Verbrauchssteuer
- 2 Ausnahmenregelungen um die Mehrwertsteuer
- 3 Kritik an der Mehrwertsteuer von höchster Stelle
- 3.1 Wie ist das eigentlich geregelt? – die Systematik
- 3.2 Warum wirken die Ausnahmen so unlogisch?
- 3.3 Die wichtigsten “Sonderfälle” im Alltag – kurz & klar
- 3.4 Unternehmen im Fokus: Drei Punkte, die Ärger vermeiden
- 3.5 Rechnung lesen – so erkennst du den korrekten Satz
- 3.6 Warum bleibt das System so kompliziert?
- 3.7 Mini-FAQ
- 3.8
- 3.9 Ähnliche Beiträge
Die Mehrwertsteuer als Verbrauchssteuer
Bei der Mehrwertsteuer handelt es sich um eine indirekte Steuer. Der Verbraucher führt die Mehrwertsteuer nämlich nicht unmittelbar als Abgabe an das Finanzamt ab. Stattdessen ist die Mehrwertsteuer in jedem Preis oder Rechnungsbetrag, den der Verbraucher beim Kauf einer Ware oder für eine Dienstleistung bezahlt, enthalten.
Der Händler oder Dienstleister schlägt die Mehrwertsteuer also auf seinen eigenen Preis auf.
Diesen Mehrwert, den der dadurch schafft, führt er an das Finanzamt ab. Gleichzeitig hängt die Höhe der Mehrwertsteuer, die der Händler oder Dienstleister an das Finanzamt bezahlt, von seinen Umsätzen ab.
Dabei wird die Steuer für jeden Umsatz fällig, egal ob er niedrig oder hoch ist. Deshalb lautet der korrekte Name für die Steuer auch Umsatzsteuer.
Die Mehrwertsteuer gehört in die Gruppe der Verbrauchssteuern. Dies liegt daran, dass die Steuer für jede Ware und jede Dienstleistung fällig wird, die jemand verbraucht oder in Anspruch nimmt. Für die Staatskasse ist dies eine lukrative Einkommensquelle.
Der Fiskus verdient so nämlich nicht nur an den direkt versteuerten Einnahmen und Gewinnen mit. Stattdessen profitiert er auch von den Ausgaben, also wenn jemand etwas konsumiert.
Dies wiederum betrifft nicht nur diejenigen, die in Deutschland leben, arbeiten oder hier steuerpflichtig sind. Touristen, ausländische Geschäftsleute und alle anderen, die während ihres Aufenthalts hierzulande für etwas Geld ausgeben, zahlen die Mehrwertsteuer damit ebenfalls automatisch mit.

Ausnahmenregelungen um die Mehrwertsteuer
Auf den ersten Blick scheint die Frage, wann der reguläre Mehrsteuersatz und wann der ermäßigte Mehrwertsteuersatz erhoben wird, recht einfach zu beantworten zu sein.
Der ermäßigte Steuersatz gilt nämlich für alle die Güter, die zum Bedarf des alltäglichen Lebens gezählt werden. Hierunter fallen in erster Linie Lebensmittel.
Außerdem unterliegen die meisten Druckerzeugnisse und Kunstgegenstände dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Auf den zweiten Blick wird aber schnell klar, dass die vielen Ausnahmeregelungen und Sonderbegünstigungen für ein echtes Wirrwarr sorgen.
Dazu ein Beispiel:
In einem Ort gibt es ein Gasthaus mit Fremdenzimmern. Wenn nun ein Kunde in diesem Gasthaus ein Gericht bestellt und sein Essen mitnimmt, es also außer Haus verzehrt, werden 7 Prozent Mehrwertsteuer fällig.
Entscheidet sich der Gast hingegen dafür, sein Essen im Gasthaus zu genießen, muss der Gastwirt 19 Prozent Mehrwertsteuer abführen. Verbringt der Gast dann die Nacht in einem der Fremdenzimmer, wird die Übernachtung aber wieder nur mit 7 Prozent Mehrwertsteuer besteuert.
Kuriose Regelungen finden sich allerdings auch an vielen anderen Stellen.
Wer beispielsweise Filterkaffee kauft, bezahlt den ermäßigten Steuersatz. Im Unterschied dazu werden 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig, wenn es löslicher Kaffee sein soll. Wer normale Kartoffeln oder Hundekekse einkauft, entrichtet 7 Prozent Mehrwertsteuer, denn Kartoffeln und Hundekekse werden zu den Produkten des täglichen Bedarfs gezählt.
Wer sich hingegen Süßkartoffeln gönnt oder seinen Kindern eine Packung Kekse mitbringt, muss tiefer ins Portemonnaie greifen. Bei diesen beiden Produkten werden nämlich die vollen 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig.
Warum Süßkartoffeln und Kekse für Kinder nicht zu den alltäglichen Dingen des Lebens gehören, kann wohl niemand so richtig erklären.
Noch kurioser wird das Ganze aber angesichts der Tatsache, dass Reitpferde aus Sicht der Mehrwertsteuer nicht als Luxushobby gelten, sondern wie viele Lebensmittel zu den wichtigen Alltagsgegenständen gehören und deshalb ermäßigt besteuert werden.

Kritik an der Mehrwertsteuer von höchster Stelle
Einige Entscheidungen rund um die Mehrwertsteuer mögen zum Schmunzeln anregen, andere sind durchaus ärgerlich. Mit dem Wirrwarr um die Mehrwertsteuer haben aber nicht nur Verbraucher ihre Schwierigkeiten.
Auch der Bundesrechnungshof übte deutliche Kritik. Er mahnte an, dass viele Regelungen widersprüchlich und sachlich nicht zu begründen seien.
Zudem bemängelte der Bundesrechnungshof, dass einige Ausnahmeregelungen durchaus Anreiz zum Missbrauch bieten. Als Beispiel nannte er Moos. Wenn für ein Gesteck oder einen Kranz frisches Moos verwendet wird, werden 7 Prozent Mehrwertsteuer fällig.
Kommt stattdessen Trockenmoos zum Einsatz, muss der Händler 19 Prozent Mehrwertsteuer abführen. Da der Verkäufer dadurch weniger am Moos verdient, ist es nicht verwunderlich, wenn er das Trockenmoos mit etwas Wasser anfeuchtet und es anschließend als frisches Moos verkauft.
Unterm Strich forderte der Bundesrechnungshof schon 2010, dass die Mehrwertsteuer angeglichen werden soll.
Dies ist bislang nicht geschehen, denn so wirklich traut sich niemand an die komplexen Regelungen heran.
Das Finanzministerium hat aber zumindest ein 140-seitiges Dokument erstellt, das den Beamten in den Finanzämtern dabei helfen soll, zu entscheiden, wann welcher Mehrsteuersatz zur Anwendung kommt.

Wie ist das eigentlich geregelt? – die Systematik
Die Umsatzsteuer (USt) ist der korrekte Rechtsbegriff. Mehrwertsteuer ist der alltagssprachliche Name. Der Regelsteuersatz beträgt 19 %, der ermäßigte Steuersatz 7 % (§ 12 UStG).
Die Ermäßigung gilt für genau definierte Güter und Leistungen des Grundbedarfs (u. a. Lebensmittel, Bücher, Kunst, ÖPNV) – und dort beginnen die Abgrenzungsfragen.
Wesenskern des Systems: Unternehmen führen USt ans Finanzamt ab, ziehen aber die auf Eingangsrechnungen gezahlte Vorsteuer ab. So wird nur der Mehrwert je Stufe belastet – am Ende trägt die Steuer der Verbraucher.
Warum wirken die Ausnahmen so unlogisch?
Weil Abgrenzungen oft an Produkttypen, Verarbeitungsgrad oder Leistungsform hängen.
Ein Beispiel kennst du: Essen zum Mitnehmen (meist 7 %) vs. Restaurantdienstleistung (19 %) – die Servicekomponente macht den Unterschied. Getränke fallen häufig unter 19 %, selbst im Take-away.
Klingt kleinlich? Ja. Aber genau solche Kriterien braucht ein Gesetz, damit es anwendbar bleibt.

Die wichtigsten “Sonderfälle” im Alltag – kurz & klar
1) Lebensmittel & Genussmittel
- Unverarbeitete Grundnahrungsmittel → meist 7 %.
- Stärker verarbeitete/“Luxus”-Produkte → oft 19 %.
- Kaffee-Beispiel: Röstkaffee 7 %, löslicher Kaffee 19 % (Verarbeitung).
- Süßkartoffeln vs. Kartoffeln: Abgrenzungen nach Warennummern/Einreihung führen zu unterschiedlichen Sätzen – für Kundinnen und Kunden schwer nachvollziehbar, aber rechtssystematisch.
2) Gastronomie
- Außer-Haus (reine Speiseabgabe) → häufig 7 %.
- Im Restaurant (inkl. Service, Tische, Bedienung) → 19 %.
- Getränke → in vielen Fällen 19 %, unabhängig vom Ort.
3) Kultur, Medien, Mobilität
- Bücher & Zeitungen – auch E-Books – 7 % (Gleichstellung digital/print).
- Eintritt zu Kulturveranstaltungen, Museen u. ä. → vielfach 7 %.
- ÖPNV (Kurz- & Nahverkehr) → regelmäßig ermäßigt.
4) Übernachtung (Beherbergung)
- Hotelübernachtung → 7 %.
- Nebenleistungen wie Frühstück, Spa, Pay-TV, Parkplatz → regelmäßig 19 %.
Tipp: Auf der Rechnung getrennte Ausweisung prüfen – das spart Streit.
5) Photovoltaik mit Nullsteuersatz
Für bestimmte Photovoltaikanlagen (u. a. Lieferung/Installation kleiner Anlagen auf Wohngebäuden) gilt ein Nullsteuersatz (0 %). Ergebnis: Bruttopreis = Nettopreis. Für Eigenheimbesitzer hochrelevant – und ein schöner Gegenpol zum “Wirrwarr”, weil hier der Gesetzgeber bewusst vereinfachen wollte.
Unternehmen im Fokus: Drei Punkte, die Ärger vermeiden
1) Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG).
Liegt dein Jahresumsatz unter bestimmten Grenzen, kannst du ohne USt ausweisen. Klingt bequem, limitiert aber Vorsteuerabzug (du bekommst gezahlte Vorsteuer nicht zurück). Für Gründer lohnt ein kurzer Break-even-Check.
2) Richtige Steuerschlüssel im System.
Erstelle im Warenwirtschafts-/Shop-System klare Steuerschlüssel je Produkt (19 %/7 %/0 %). Pflege Leistungsbeschreibungen so, dass der Sachverhalt erkennbar ist (z. B. “Übernachtung” vs. “Frühstück”). Das reduziert Nachfragen – und Korrekturen.
3) Grenzüberschreitend verkaufen (EU).
Bei B2C-E-Commerce erleichtert OSS (One-Stop-Shop) die USt-Meldung in EU-Länder. Bei bestimmten B2B-Leistungen greift Reverse-Charge (Steuerschuld geht auf den Leistungsempfänger über). Ein Satz in der Rechnung genügt – und du verhinderst Fehleinzüge.

Rechnung lesen – so erkennst du den korrekten Satz
- Ausgewiesener Steuersatz (19 %/7 %/0 %) je Leistungsposition.
- Trennung von ermäßigten und regulären Komponenten (Hotel/Frühstück).
- Brutto-/Netto-Betrag nachvollziehbar.
- Leistungsbeschreibung konkret, nicht nur “Service”.
Für Verbraucher heißt das: Du zahlst am Ende Bruttopreise – aber Transparenz hilft, Ungereimtheiten zu erkennen.
Warum bleibt das System so kompliziert?
Weil der Gesetzgeber soziale Ziele (Grundbedarf günstiger), Standortpolitik (Kultur, ÖPNV) und Präzision (Missbrauchsvermeidung) gleichzeitig abbilden will.
Der Bundesrechnungshof kritisiert seit Jahren Widersprüche – trotzdem ist eine Komplettreform schwierig, weil jede Anpassung Gewinner und Verlierer schafft.

Mini-FAQ
Gilt 7 % immer für Essen?
Nein. Take-away-Speisen oft 7 %, Restaurantdienstleistung 19 %. Getränke meist 19 %.
Warum 7 % für Übernachtung, aber 19 % fürs Frühstück?
Übernachtung (reine Beherbergung) ist ermäßigt. Nebenleistungen (Frühstück, Spa) sind regulär zu versteuern – deshalb die Trennung auf der Rechnung.
Was bringt mir der Nullsteuersatz bei Photovoltaik?
Du zahlst keine USt auf Lieferung/Installation bestimmter PV-Anlagen – die Investition wird sofort günstiger. Prüfe, ob dein Objekt/Anlagentyp erfasst ist.
Ich bin Kleinunternehmer – soll ich USt erheben?
Du kannst auf USt verzichten, verzichtest dann aber auf Vorsteuerabzug. Rechne durch, ob sich ein Optionieren (Regelbesteuerung) lohnt.
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