Grundsteuerbescheid prüfen – ein ausführlicher Ratgeber, 1. Teil

Grundsteuerbescheid prüfen – ein ausführlicher Ratgeber, 1. Teil

Inzwischen sollten Immobilienbesitzer ihre Grundsteuererklärung schon abgegeben haben. Denn die verlängerte Frist endete am 31. Januar. Nur in Bayern haben Immobilienbesitzer noch bis zum 30. April 2023 Zeit. Hier wurde die Abgabefrist nämlich ein zweites Mal verlängert. Nun war die Abgabe der Steuerklärung, die im Zuge der Grundsteuerreform notwendig wurde, für viele Immobilienbesitzer schon nicht ganz einfach und mit Aufwand verbunden.

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Grundsteuerbescheid prüfen - ein ausführlicher Ratgeber, 1. Teil

Doch mit dem Ausfüllen der Formulare ist die Arbeit noch nicht getan. Denn mit dem Prüfen der Bescheide zur Grundsteuer wartet gleich die nächste knifflige Aufgabe:

In den meisten Bundesländern erhalten Immobilienbesitzer drei verschiedene Bescheide, nämlich einen Bescheid über den Grundsteuerwert, einen Bescheid über den Grundsteuermessbetrag und den eigentlichen Grundsteuerbescheid.

Vor allem die beiden ersten Bescheide sollten Immobilienbesitzer genau unter die Lupe nehmen. Darin steht zwar noch nicht, wie hoch die Grundsteuer ab 2025 wird. Aber sie enthalten die Grundlagen für die Grundsteuerhöhe.

In einem ausführlichen Ratgeber zeigen wir, wie Immobilienbesitzer die verschiedenen Bescheide zur neuen Grundsteuer prüfen können. Außerdem erklären wir, wann und warum ein Einspruch sinnvoll ist.

Dabei starten wir im 1. Teil mit dem Bescheid über den Grundsteuerwert:

Die drei Bescheide zur Grundsteuer

In den meisten Bundesländern werden insgesamt drei Bescheide zur Grundsteuer verschickt:

  • Den Bescheid über den Grundsteuerwert und den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag erstellt und verschickt das Finanzamt.

  • Der Grundsteuerbescheid kommt von der Stadt oder Gemeinde.

In Hessen gibt es keinen eigenständigen Grundsteuerwert-Bescheid. Hier erhalten Immobilienbesitzer deshalb nur zwei Grundsteuerbescheide. In Bayern, Hamburg und Niedersachsen wiederum wird nicht der Grundsteuerwert ermittelt, stattdessen werden Grundsteueräquivalenzbeträge angewendet.

Die ersten beiden Bescheide verschicken die Finanzämter schon seit August 2022, meist kommen sie gemeinsam als ein Brief.

Eine Ausnahme bilden Berlin und Hamburg. Hier wird zunächst nur der Bescheid über den Grundsteuerwert verschickt. Der Bescheid über den Grundsteuermessbetrag folgt voraussichtlich 2024.

Der eigentliche Grundsteuerbescheid, der über die Höhe der Grundsteuer informiert, die der Immobilienbesitzer ab 2025 bezahlen muss, wird erst im zweiten Halbjahr 2024 eintrudeln. Allerdings bilden die beiden ersten Bescheide die Berechnungsgrundlage.

Den Bescheid über den Grundsteuerwert prüfen

Wir schauen uns den Grundsteuerwert-Bescheid in den elf Bundesländern an, die das Bundesmodell verwenden. Hier listet der Bescheid auf mehreren Seiten allerlei Zahlen und Begriffe auf, die es auf den ersten Blick schwer machen, den vom Finanzamt ermittelten Grundsteuerwert nachzuvollziehen.

In Baden-Württemberg ist der Bescheid einfacher gehalten. Denn die Berechnung der Wohnfläche fällt weg. Stattdessen ist nur relevant, ob die Immobilie überwiegend privat oder gewerblich genutzt wird.

In Hamburg, Bayern und Niedersachsen ersetzen die Grundsteueräquivalenzbeträge den Grundsteuerwert. Und in Hessen findet sich die gesamte Berechnung im Bescheid zum Grundsteuermessbetrag.

Abschnitt A

Im ersten Abschnitt des Bescheids sind die Daten zum Grundstück und darunter auch gleich der Grundsteuerwert als Endergebnis aufgeführt.

Beim Grundsteuerwert handelt es sich um eine vergleichsweise hohe Zahl in Euro. In aller Regel ist die Zahl deutlich höher als der frühere Einheitswert. Das hat so aber seine Richtigkeit, denn im zweiten Bescheid fällt die Grundsteuermesszahl erheblich kleiner aus.

Im Abschnitt A sollte der Immobilienbesitzer sicherheitshalber prüfen, ob alle Grundstücksdaten stimmen.

Abschnitt B

Der zweite Abschnitt führt meist über zwei Seiten hinweg die ausführliche Berechnung des Grundsteuerwerts auf. Der Immobilienbesitzer sollte kontrollieren, ob der Bodenrichtwert, das Baujahr der Immobilie, die Anzahl der Garagen, die Nutz-/Wohnfläche und die Grundstücksfläche richtig sind.

Stimmen diese Daten im Bescheid mit den Daten überein, die der Immobilienbesitzer in die Steuererklärung eingetragen hat, dürfte die Berechnung passen.

Möchte der Immobilienbesitzer aber die ganze Berechnung nachvollziehen, sollte er sich Papier, Stift und eventuell einen Taschenrechner bereitlegen. Außerdem sollte er das Bewertungsgesetz (BewG) aufrufen. Danach kann er den Bescheid Punkt für Punkt durchgehen:

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Liegenschaftszinssatz für das Grundstück

Der Liegenschaftszinssatz richtet sich nach der Art des Eigentums. Unter Umständen kann außerdem der Bodenrichtwert ins Gewicht fallen. Wie hoch der Zinssatz in seinem Fall ist, kann der Immobilienbesitzer in § 256 BewG nachlesen.

Restnutzungsdauer des Gebäudes

Sie ergibt sich aus der Differenz zwischen der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer und dem Alter des Gebäudes. Die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer beträgt in aller Regel 80 Jahre.

Für das Gebäudealter zieht der Immobilienbesitzer das Baujahr vom Jahr 2022 ab.

Die Restnutzungsdauer wird immer mit mindestens 24 Jahren angesetzt. Ob das Gebäude also zum Beispiel im 19. Jahrhundert oder in den 1950er-Jahren errichtet wurde, spielt demnach keine Rolle.

Die Restnutzungsdauer beträgt in beiden Fällen 24 Jahre. Hat der Immobilienbesitzer sein Haus aber beispielsweise 1995 gebaut, beträgt die Restnutzungsdauer 80 Jahre – (2022 – 1995) = 80 – 27 = 53 Jahre.

Rohertrag für das Gebäude, die Garagen und das Grundstück

Um den Rohertrag zu ermitteln, braucht der Immobilienbesitzer zuerst die Nettokaltmiete. Hierbei handelt es sich nicht um die Miete, die der Immobilienbesitzer bei einer Vermietung seiner Immobilie bekommen würde.

Stattdessen ist die Nettokaltmiete ein statistischer Durchschnittswert. Er ist in der Tabelle in Anlage 39 zum BewG aufgeführt.

Ganz am Ende der Anlage sind unter Punkt II auch die Prozente der Mietniveaustufen aufgelistet. Sie bewegen sich zwischen -20 Prozent bei Stufe 1 und +40 Prozent bei Stufe 7. Welche Mietniveaustufe für den Immobilienbesitzer gilt, kann er aus der Tabelle ablesen. Darin sind alle Städte und Gemeinden in Deutschland angegeben.

Hat der Immobilienbesitzer die monatliche Nettokaltmiete ausgerechnet, multipliziert er diesen Betrag mit 12. Damit hat er den Rohertrag für sein Gebäude.

Für eine Garage werden 35 Euro pro Monat angesetzt. Auch hier findet wieder die Mietniveaustufe Anwendung. Diesen Wert multipliziert der Immobilienbesitzer ebenfalls mit 12 und kennt damit den Rohertrag für die Garagen.

Jetzt addiert der Immobilienbesitzer den Rohertrag für das Gebäude und den Rohertrag für die Garagen. Daraus ergibt sich der Rohertrag für das Grundstück.

Reinertrag und kapitalisierter Reinertrag des Grundstücks

Der Reinertrag des Grundstücks entspricht dem Rohertrag minus den Bewirtschaftungskosten. Die Bewirtschaftungskosten sind ein Prozentwert und stehen in Anlage 40 zum BewG.

Den eben ausgerechneten Reinertrag multipliziert der Immobilienbesitzer dann mit dem sogenannten Vervielfältiger. Diesen Wert kann der Immobilienbesitzer aus der Tabelle in Anlage 37 BewG ablesen.

Umrechnungskoeffizient und Abzinsungsfaktor

Der Umrechnungskoeffizient richtet sich nach der Größe des Grundstücks. Die Werte dazu stehen in Anlage 36 des BewG.

Auch den Abzinsungsfaktor kann der Immobilienbesitzer ablesen. Er ist in Anlage 41 zum BewG aufgeführt.

Abgezinster Bodenwert

Der abgezinste Bodenwert ergibt sich aus der Rechnung Fläche x Bodenrichtwert x Umrechnungskoeffizient x Abzinsungsfaktor. Lässt der Immobilienbesitzer den Abzinsungsfaktor bei der Rechnung weg, erhält er den Bodenwert vor Abzinsung. Diese Größe braucht er gleich noch.

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Grundsteuerwert und Prüfung des Mindestwerts

Für den Grundsteuerwert addiert der Immobilienbesitzer den kapitalisierten Reinertrag des Grundstücks und den abgezinsten Bodenwert.

Zum Schluss muss noch kontrolliert werden, ob 75 Prozent des Bodenwerts vor Abzinsung möglicherweise einen höheren Wert ergeben als der eben ermittelte Grundsteuerwert. Sollte dem so sein, wird dieser Wert als Grundsteuerwert verwendet.

Wann Einspruch einlegen?

Hat sich der Immobilienbesitzer die Mühe gemacht, die langwierige Rechnung nachzuvollziehen und kommt er dabei auf andere Ergebnisse als das Finanzamt, sollte er Einspruch gegen den Grundsteuerwert-Bescheid einlegen.

Gleiches gilt, wenn der Bodenrichtwert nicht mit den Gegebenheiten des Grundstücks überstimmt. Außerdem ist ein Einspruch sinnvoll, wenn der Immobilienbesitzer das Gefühl hat, dass irgendetwas nicht richtig ist.

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Bernd Schneider, - Finanzwirt, Marina Kozeck, Steuerfach-Angestellte, Joachim Kretschmann, - Finanzberater, sowie Ferya & Christian Gülcan , Unternehmer, Founder und Investoren mit ca. 30 Jahren Erfahrung in gewerblichen Steuerangelegenheiten, Redakteur/in und Betreiber/in dieser Seite, schreiben hier Wissenswertes , Ratgeber und Tipps zum Thema Steuern und Finanzen. Die Inhalte des Informationsangebots, stellen keine Finanzberatung oder Anlageberatung dar - somit ersetzen die Inhalte auch keine persönliche Beratung mit einen Finanzberater oder Steuerberater.

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