Was bedeutet Progressionsvorbehalt?
Bestimmte Einkünfte sind zwar steuerfrei. Doch weil sie dem Progressionsvorbehalt unterliegen, wirken sie sich trotzdem auf die Steuerlast aus.
Einige Einkunftsarten und hier insbesondere staatliche Sozialleistungen sind steuerfrei. Für die Einnahmen selbst müssen also keine Steuern bezahlt werden. Dennoch können sie die Steuerlast erhöhen. Der Grund hierfür ist der sogenannte Progressionsvorbehalt.
Einnahmen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, werden nämlich zur Berechnung des persönlichen Steuersatzes herangezogen. In der Folge erhöht sich der Steuersatz, der auf die regulär erzielten Einnahmen angewendet wird. Dies wiederum kann dazu führen, dass die eigentlich steuerfreien Einnahmen die Steuerschuld indirekt erhöhen und der Steuerpflichtige am Ende mehr Steuern bezahlen muss, als er müsste, wenn er keine Einnahmen unter Progressionsvorbehalt gehabt hätte.
Was bedeutet Progressionsvorbehalt?
Der Progressionsvorbehalt ist ein Begriff aus dem Steuerrecht. Er beschreibt die gesetzliche Regelung, nach der bestimmte steuerfreie Einkünfte durch die Wirkung der Progression den Steuersatz, der für die steuerpflichtigen Einkünfte maßgeblich ist, erhöhen können. Obwohl die Einnahmen selbst steuerfrei sind, können sie dadurch indirekt eine Erhöhung der Steuerschuld zur Folge haben.
Die Grundlage für den Progressionsvorbehalt bildet das Prinzip der leistungsgerechten Besteuerung. Denn auch steuerfreie Einkünfte erhöhen die finanzielle Leistungsfähigkeit. Und um hier einen leistungsgerechten Ausgleich zu schaffen, wird für die erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit über den Progressionsvorbehalt ein erhöhter Steuersatz angewendet.
Inhalt
Welche Einkünfte unterliegen dem Progressionsvorbehalt?
Es gibt eine Reihe von staatlichen Sozialleistungen, Beihilfen und Ausgleichszahlungen, die steuerfrei sind, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Zu diesen Einkünften gehören unter anderem
- Arbeitslosengeld I,
- Kurzarbeitergeld,
- Insolvenzgeld,
- Krankengeld,
- Mutterschaftsgeld,
- Elterngeld
Aber auch Auslandseinkünfte, die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland steuerfrei sind, unterliegen dem Progressionsvorbehalt. Konkret sind alle Einkünfte unter Progressionsvorbehalt in § 32b des Einkommensteuergesetzes aufgelistet. Und diese Aufzählung ist abschließend. Im Umkehrschluss heißt das: Alle Einkunftsarten, die hier nicht genannt sind, unterliegen auch nicht dem Progressionsvorbehalt.
Wie wirkt sich der Progressionsvorbehalt auf die Steuerschuld aus?
Hat der Steuerpflichtige Einkünfte unter Progressionsvorbehalt, werden diese Einkünfte zu den regulären Einnahmen hinzugerechnet. Die Summe daraus ergibt die Grundlage für die Berechnung des persönlichen Durchschnittssteuersatzes.
Die Steuerschuld wird nun aber nicht mit dem üblichen Steuersatz für das steuerpflichtige Einkommen ermittelt. Stattdessen kommt ein spezieller Steuersatz zur Anwendung. Dabei wird der Steuersatz für das gesamte Einkommen aus steuerpflichtigen und steuerfreien Einkünften berechnet. Anschließend wird dieser Steuersatz auf die steuerpflichtigen Einnahmen angewendet.
Zur Veranschaulichung hier ein Beispiel:
Angenommen, der Steuerpflichtige ist ledig. Sein zu versteuerndes Einkommen beträgt 20.000 Euro. Zusätzlich dazu hat er 6.000 Euro Arbeitslosengeld I bekommen. Auf Grundlage dieser Daten ergeben sich für das Jahr 2016 folgende Berechnungen:
steuerpflichtiges Einkommen | 20.000 € | 26.000 € | 20.000 € |
Einnahmen unter Progressionsvorbehalt | 0 € | 0 € | 6.000 € |
Einkünfte gesamt | 20.000 € | 26.000 € | 26.000 € |
durchschnittlicher Steuersatz | 12,80 % | 16,35 % | 16,35 % |
Steuerschuld | 2.560 € | 4.250 € | 3.270 € |
Steuermehrbelastung | 0 € | 1.690 € | 710 € |
Dadurch, dass der Steuerpflichtige zusätzlich zu seinem regulären Einkommen noch 6.000 Euro Arbeitslosengeld I bezogen hat, erhöht sich seine Steuerschuld also um 710 Euro. Wären die 6.000 Euro aber kein Arbeitslosengeld I gewesen und hätten somit nicht dem Progressionsvorbehalt unterlegen, sondern hätte der Steuerpflichtige die 6.000 Euro als steuerpflichtiges Arbeitseinkommen erzielt, hätte sich seine Steuerschuld um 1.690 Euro erhöht.
Was sollte der Steuerpflichtige beachten, wenn er steuerfreie Einnahmen hatte?
Der Bezug von Arbeitslosengeld I, Krankengeld und Elterngeld dürften die häufigsten Fälle für steuerfreie Einkünfte unter Progressionsvorbehalt sein. Sind diese Einkünfte höher als 410 Euro, ist der Steuerpflichtige dazu verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben.
Gleichzeitig muss er den Bescheid, aus dem die Höhe der bezogenen Leistungen hervorgeht, beilegen. Die Steuererklärung muss dem Finanzamt spätestens am 31. Mai des Folgejahres vorliegen. Hat der Steuerpflichtige beispielsweise 2016 Arbeitslosengeld bezogen, muss er seine Steuererklärung für das Jahr 2016 also spätestens am 31. Mai 2017 beim Finanzamt abgeben.
Ratsam ist, mit einer möglichen Steuernachzahlung zu rechnen. Denn selbst wenn der Steuerpflichtige nur zu versteuernde Einnahmen erzielt hat, die unter dem Grundfreibetrag liegen, kann es sein, dass der Progressionsvorbehalt der steuerfreien Einnahmen zu einer Steuerpflicht führt.
Ist der Steuerpflichtige verheiratet, werden seine Einnahmen ohnehin zu den Einkünften seines Ehepartners addiert. Auch dies kann zu einer höheren Steuerlast führen. Möchte der Steuerpflichtige wissen, welche Steuerzahlungen auf ihn zukommen, findet er im Internet verschiedene Steuerrechner, beispielsweise auf der Seite des Bundesministeriums für Finanzen.
Was bedeutet negativer Progressionsvorbehalt?
Nicht alle Einkünfte unter Progressionsvorbehalt erhöhen die finanzielle Leistungsfähigkeit. Stattdessen können diese Einkünfte auch negativ sein. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige Geldanlagen im Ausland hat und diese Geldanlagen Verluste machen.
Oder wenn der Steuerpflichtige Transferleistungen an den Staat zurückzahlen muss. Die Folge ist, dass der umgekehrte Effekt eintritt: Die Negativeinkünfte senken den persönlichen Durchschnittssteuersatz und reduzieren dadurch auch die Steuerschuld.
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